Es gibt Momente, in denen du spürst, dass du deiner Angst begegnen willst, ganz egal wie groß sie gerade ist. Ich hatte so einen Augenblick an einem sonnigen Aprilwochenende, als ich mit dem Mann an meiner Seite wandern war. Plötzlich ragten zwischen den Felsen hohe Leitern hervor, die es zu erklettern galt. Lustigerweise hab ich zu dem Zeitpunkt keine Sekunde darüber nachgedacht, ob es sich bei unserem Wanderweg vielleicht um einen Klettersteig handelt. Ich habe Höhenangst und hatte schon seit Längerem den Plan, einen Klettersteig zu gehen. Nun hatte mein Partner ganz spontan einen leichten Steig für mich ausgewählt und ich stand vor den Leitern und dachte: Na gut, dann klettere ich da jetzt einfach hoch.

Die Angst war da, aber ich konnte ihr begegnen. Sie war nicht größer als ich. Und das ist noch so etwas, das man lernt, wenn man sich seinen Ängsten stellt. In Wirklichkeit ist es nicht unmöglich, eine neun Meter hohe Felswand an einer Leiter hochzuklettern. Auch, wenn mir mein Verstand das jahrelang vermittelt hat. Nachdem die erste Leiter schnell bezwungen war, haben wir meinen Erfolg gemeinsam bejubelt und ich war richtig stolz auf mich. Auch die zweite, dritte und vierte Leiter waren noch eine große Überwindung, aber als ich ganz oben angelangt war, haben sich wunderschöne Gefühle in meinem Körper ausgebreitet: Freiheit und Freude. Und die waren größer, als es meine Angst je gewesen war. Solche Erlebnisse stärken uns für Zeiten, in denen wir von diffuseren Ängsten als Höhenangst geplagt werden. Ob Angst vor der Zukunft, Existenzangst oder Angst zu versagen, man kann sich im Leben vor so ziemlich allem fürchten. Seinen Ängsten immer wieder bewusst zu begegnen, ist für mich die einzig mögliche Art, über sich selbst hinauszuwachsen.

In den letzten Jahren habe ich einen neuen Umgang mit meinen Ängsten gefunden. Anstatt sie zu verdrängen, klein zu reden oder in Angststarre zu verfallen, habe ich sie akzeptiert. Die Angst ist keiner meiner Lieblingsgäste und das wird sie wohl nie werden, aber sie darf mich begleiten, wenn sie sich an meine Spielregeln hält. Diese hab ich mir von der Schriftstellerin Elizabeth Gilbert und ihrem Buch „Big Magic“ ausgeliehen. Sie vergleicht die Angst mit einem Fahrgast auf ihrer Lebensreise. Sie schreibt ihrer Angst einen Brief: „… In diesem Auto ist genug Platz für uns alle, aber du musst verstehen, dass ich und meine Kreativität die Einzigen sind, die jemals Entscheidungen treffen werden. Du darfst deinen Platz einnehmen und du erhältst eine Stimme, aber du wählst nicht den Weg. Du darfst die Landkarte nicht lesen, nicht mit der Heizung spielen, ja nicht mal das Radioprogramm bestimmen. Aber die wichtigste Regel ist, dass du, lieber Freund, niemals am Steuer sitzen wirst.“

Ich finde, das ist ein großartiger Zugang zur Angst. Auf diese Weise erkennen wir, dass die Angst zwar zu unserem Leben gehört, aber den Weg und die Richtung unseres Lebens nicht bestimmt. Wenn wir das oft genug praktizieren, dann fühlt sich das Leben erstaunlich angstfrei an. Das macht viel Raum für andere Gefühle wie Freiheit und Freude.

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